2014 war ein erfolgreiches Jahr für den Sport in Russland: Mit 33 Medaillen war der Gastgeber die mit Abstand stärkste Nation der Olympischen Winterspiele in Sotschi und auch bei anderen Sportereignissen dominierten russische Sportler. Aber was steckt hinter den Triumphen?
Spätestens seit den im Frühjahr veröffentlichten und weltweit beachteten WDR-Recherchen über neue, bislang unbekannte Dopingmethoden in Russland sind die Erfolge zu hinterfragen. Doch auf den ersten Blick ist alles sauber – so gab es etwa keinen einzigen positiven Dopingtest eines russischen Athleten bei den Olympischen Spielen.
Exklusive Einblicke: Einschüchterung und Korruption
Dem WDR-Team gelang es, an Orten zu drehen, bei denen westliche Journalisten normalerweise nicht zugegen sind– wie hier bei einem hochklassigen Leichtathletikevent in Kazan.
Einem WDR-Team ist es nun in monatelanger Arbeit gelungen, erschütternde Erkenntnisse zusammenzutragen. Der Film präsentiert exklusive Einblicke in ein Sportsystem, das ansonsten völlig unzugänglich ist. Autor Hajo Seppelt liefert zahlreiche Hinweise, geheime Aufzeichnungen und ernüchternde Fakten, die wohl viele der russischen Sporterfolge erklären. Bis jetzt aber war solch ein Einblick nicht möglich – auch, weil offensichtlich einige der Protagonisten des russischen Sporterfolges mit Hilfe von Einschüchterung und Korruption das System am Laufen halten.
Mitwisser werden bedroht und eingeschüchtert
Nun aber wagen sich weltexklusiv erstmals auch Trainer und Athleten, darunter überführte Doper, vor die Kamera und berichten von einem nahezu flächendeckenden und systematischen Doping. Sie zeichnen ein erschreckendes Bild: In Russland würden Mitwisser unter Druck gesetzt, bedroht und eingeschüchtert, damit sie schweigen. Sie erzählen von Angst um die Existenz, manchmal gar um ihr Leben.
Das ganze Ausmaß der Korruption scheint aber indes weit über Russland hinaus zu gehen: Es reicht in mindestens einen führenden Sportweltverband, dessen dubiose Geschäftspraktiken in dieser Reportage beleuchtet werden.
weiterführende Links:
- Teaser zu "Geheimsache Doping" auf daserste.de
- "ARD-Doku überführt Russlands korruptes Sportsystem" (stern.de)
- "ARD-Dokumentation: Dopingnation Russland" (Peter Ahrens auf Spiegel Online)
- "Als ob dir jemand einen Turbo verpasst hätte..." (Jens Hungemann auf welt.de)
Das Persönlichkeitsrecht ist ein aus der Verfassung, Art. 2, abgeleitetes Rechtsgut von hohem Rang. Niemand darf ohne seine Einwilligung mit seinem Namen oder mit einem Foto in die Öffentlichkeit gezerrt werden, soweit er dazu nicht Veranlassung gegeben hat.
Über sogenannte Personen der Zeitgeschichte, z.B. aktive Politiker, bekannte Künstler und prominente Schauspieler, kann in der Regel auch ohne deren Einwilligung berichtet werden. Sie müssen es hinnehmen, fotografiert oder gefilmt zu werden. Allerdings muss die Berichterstattung grundsätzlich im Zusammenhang mit ihrer Funktion stehen, d.h. reine private „Paparazzi-Bilder“ sind auch hier unzulässig.
Zu Personen der Zeitgeschichte können aber auch nichtprominente Personen werden, auch wenn sie nur vorübergehend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, wie z.B. Straftäter direkt nach ihrer Tat und während des Prozesses.
Doch auch diese Unterscheidung ist nur eine Faustregel, es ist immer auch eine Frage der Abwägung im Einzelfall. Was wiegt mehr? Das Persönlichkeitsrecht des einzelnen oder der Anspruch der Öffentlichkeit auf Information?
In jedem Fall sollten wir genauer hinschauen, ob es überhaupt journalistisch notwendig ist, z.B. einen möglichen Verdächtigen für alle Welt identifizierbar abzubilden oder zu benennen? Oder ob es genügt, seine Funktion im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt zu schildern, sein Gesicht auf einem Foto unkenntlich zu machen und nur den ersten Buchstaben seines Nachnamens bekannt zu geben.
Die Referenten werden diese schwierige Güterabwägung an konkreten Fällen aus ihrer Praxis exemplarisch darstellen.
Recherchen sind niemals komplett vorhersehbar. Aber wer monatelang recherchiert, steht ungern am Ende mit leeren Händen da. Vor allem bei umfangreichen Projekten sollten Reporter deshalb strukturiert vorgehen. Welche Story kann ich in jedem Fall schreiben, selbst wenn alles schief geht? Wer muss reden? Welche Dokumente kann ich wie bekommen? Wie fange ich an und wann höre ich auf? Der Workshop soll vor allem junge Reporter mit wenig Erfahrung selbstsicherer in lange Projekte gehen lassen.
In autoritär geführten Ländern werden Journalisten bedroht, angegriffen oder mit repressiven Mediengesetzen hinter Gittern gebracht. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In Afghanistan etwa werden vor allem Journalistinnen von den Taliban unter Druck gesetzt, denen das öffentliche Auftreten der Frauen ein Dorn im Auge ist. Im Iran verfolgt die Staatsmacht oppositionelle Journalisten. In Syrien stehen Journalisten zwischen den Fronten und werden sowohl vom Assad-Regime, aber auch von dschihadistischen Rebellen wie der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) gezielt verfolgt. Um der Gewalt zu entkommen, retten sich jedes Jahr Dutzende Journalisten ins ausländische Exil, manche gelangen auch nach Deutschland.
Wenn es um ein faires Miteinander im Internet geht, sorgt Google immer wieder für Negativschlagzeilen. Dem Suchmaschinenkonzern wird der Missbrauch seiner Marktmacht bei der Online-Suche vorgeworfen, ebenso wie die Verletzung des Urheberrechts. Sein schlechtes Image versucht der Internetriese nun mit einer Charmeoffensive an die Verlage aufzupolieren. Mit seiner „Digital News Initiative“ will Google Qualitätsjournalismus im Internet befördern. Und auch Facebook geht auf die Zeitungshäuser zu. Das Projekt „Instant Articles“ soll ihnen helfen, ihre Artikel online besser zu vermarkten.
Wie weit können die Verlage wirklich davon profitieren?Heimlich gedrehte Bilder - immer häufiger sind sie in den verschiedensten Sendungen zu sehen. In Verbrauchermagazinen genau so wie in investigativen Dokumentationen. Doch ist das erlaubt? Wenn ja, wo ist das geregelt - juristisch und journalistisch? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wann ist dieses Mittel tatsächlich sinnvoll, wann dient es nur zum dramaturgisch aufgemotzten Bilderteppich?
Noch komplizierter verhält es sich mit heimlich aufgenommenen O-Tönen. Erst kürzlich sorgte ein sogenannter "Abhörskandal" bei der TAZ für heftige Diskussionen. Und etliche Journalisten/innen offenbarten in der Kontroverse eine erstaunliche Unkenntnis über die sehr eindeutigen juristischen Vorschriften. Dabei gibt es mehrere Urteile zu diesem Komplex, der auch zwischen der heimlichen Aufnahme und der anschließenden Verbreitung unterscheidet.
Die Veranstaltung listet auf, was beachtet werden muss, was u.U. erlaubt ist - und was auf keinen Fall. Verschiedene Fälle werden kurz vorgestellt, die wichtigen Fragen von kompetenten Journalisten und Rechtsanwälten beantwortet.
Weiterführende Links
- "Der Mann, der taz Sebastian Heiser war" (Wolfgang Michal)
- "Klima des generellen Misstrauens" (Jörg Wagner)
- "Man traut sich nicht mehr, offen zu sprechen" (Michael Hanfeld)
- "Befugtes Spionieren" (Markus Kompa)
- "Redaktionsgeheimnis - ein hohes Gut" (Ines Pohl)
- "In eigener Sache - Datenklau - die Chronologie" (taz.de)
- "Versteckte Kamera: Gerichtshof gibt «Kassensturz» Recht" (Christian Schürer)
- "Versteckte Kamera in Arztpraxis war zulässig" (Kommentar von Panorama zum Film "die Schwulenheiler")
Am 26. September 1980 explodiert eine Bombe auf dem Münchner Oktoberfest. Es ist einer der schlimmsten Anschläge der Nachkriegszeit in Deutschland. 13 Menschen sterben, 211 weitere werden verletzt. Ein Journalist des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Chaussy (Benno Fürmann), sucht unablässig nach möglichen Hintermännern.
München, 26. September 1980: der Rundfunkjournalist Ulrich Chaussy und seine Ehefrau Lise packen gerade in ihrer neuen Wohnung die Umzugskartons aus, als sie eine erschreckend laute Explosion wahrnehmen. Am nächsten Tag macht das Ereignis überall Schlagzeilen: Eine selbst gebaute Rohrbombe ist beim Haupteingang des Münchner Oktoberfests explodiert, hat 13 Menschen getötet und 211 weitere verletzt, 68 davon schwer. Bald stellt die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen ein. Der 21-jährige Geologie-Student Gundolf Köhler aus Donaueschingen, der bei dem Anschlag selbst das Leben verloren hat, soll aus persönlichen Gründen gehandelt haben und also ein Einzeltäter gewesen sein. Die Behörden leugnen ein politisches Motiv, obwohl Köhler Mitglied der rechtsextremen „Wehrsportgruppe Hoffmann“ war. Noch kurz vor dem Attentat hatte der Chef des Staatsschutzes, Dr. Hans Langemann, die Gefährlichkeit dieser paramilitärischen Organisation verneint. Das lag auf dem Kurs des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der die Wehrsportgruppe in Bayern über Jahre hatte groß werden lassen. Unmittelbar nach dem Anschlag drohte diese Politik der Verharmlosung Strauß auf die Füße zu fallen: ein rechtsextremistischer Hintergrund des Anschlags könnte den Kanzlerkandidaten Stimmen kosten. Doch Rundfunkjournalist Chaussy rollt gemeinsam mit dem Anwalt Werner Dietrich den Fall neu auf, da beide Zweifel an den offiziellen Ermittlungsergebnissen hegen. Sie vermuten hinter dem Anschlag rechtsradikale Mittäter. Ihre Recherche ergibt etliche Zeugenaussagen, die auf mehrere Täter hinweisen. Zudem meldet sich bei Chaussy ein Mann, der sich „Meier“ nennt und eigentlich Langemanns Referent ist, und überlässt ihm einen Umzugskarton voller Polizeiakten, die den Fall betreffen. Dort steht schwarz auf weiß: Zwei Hintermänner waren an dem Anschlag beteiligt. Während Chaussy den Fall weiter hartnäckig verfolgt, verlässt ihn Anwalt Dietrich - aus Angst vor möglichen Konsequenzen. Wegen seiner Beharrlichkeit wird Rundfunkjournalist Chaussy bald spöttisch als „Mr. Oktoberfest“ belächelt, und sein Kampf um Wiederaufnahme des Falls wird von den Behörden missachtet. Als er bemerkt, dass er sein Leben und das seiner schwangeren Frau aufs Spiel setzt, zieht auch er sich aus den Ermittlungen zurück.
Weiterführende Links
- Pressedossier zu "der blinde Fleck" auf br.de
- "Einer legt den Fall nicht zu den Akten" (Matthias Hannemann auf faz.de)
- "Auf dem rechten Auge blind" (Hauke Friederichs auf zeit.de)
- "Der blinde Fleck" beleuchtet das Oktoberfest-Attentat (Thomas Gehringer auf tagesspiegel.de)
Staatliche Stellen innerhalb der EU vergeben jedes Jahr Aufträge im Wert von mehreren hundert Milliarden Euro. Die meisten davon veröffentlicht das "Amt für Veröffentlichungen" im Internet. Mit wenigen Kniffen lässt sich aus der Online-Datenbank der Ausschreibungen ablesen, wer von diesen Aufträgen profitiert und für was die öffentliche Hand das Steuergeld ausgibt. Diese Informationen können Recherchen untermauern oder neue Thesen stützen.
Schuldig? Oder nicht? Diese Frage wird jeden Tag in vielen Gerichtssälen entschieden - von Richtern. Nach einer Verhandlung, deren Ablauf gesetzlich normiert ist. Und in der es Ankläger, Verteidiger und eben Richter gibt.
Was aber, wenn es um prominente Beschuldigte geht? Wenn die Vorwürfe brisant, der wahre Sachverhalt aber weder ermittelt noch juristisch eindeutig festgestellt worden ist? Wenn das (vermeintlich) öffentliche Interesse so groß ist, dass man das Ende eines langwierigen Gerichtsverfahrens nicht abwarten will?
Egal ob Kachelmann, Wulff, Edathy oder Hoeneß - die Öffentlichkeit hatte ihr Urteil schon gefällt, bevor die juristische Aufbereitung überhaupt begonnen hatte. Journalisten/innen hatten all das geliefert, was eine Meinungsbildung (vermeintlich) ermöglicht hatte.
Nicht erst seit diesen Affären steht der Vorwurf im Raum, dass manche Journalisten/innen ihre Funktion missbrauchen, indem sie sich als Ermittler, Ankläger und Richter betätigen.
Doch die Diskussion, die Kontroverse behandelt Fragen, die über diese Fälle hinausgehen, die eher grundsätzlich sind, die das journalistische Ethos berühren. Und die auch all jene betreffen, die nicht über die bundesweit bekannten Fälle berichten (müssen?), sondern auf lokaler Ebene über Vorkommnisse bei sogenannten "Lokalgrößen".
Was ist journalistisch geboten, was erlaubt, wenn über Vorwürfe oder Affären berichtet wird? Wie ist die eigentlich zulässige "Verdachtsberichterstattung" definiert, wann sind die Grenzen des Zulässigen überschritten? Welche Rechte haben Betroffene, sich gegen Berichte zu wehren? Wie funktioniert das (nicht gerade seltene) Zusammenspiel von Anwälten und Journalisten/innen ? Lassen sich Journalisten/innen bisweilen auch von Staatsanwälten instrumentalisieren ? Ist der Vorwurf des "Kampagnenjournalismus" völlig absurd? Dürfen Medien Partei ergreifen? Worin besteht der Unterschied zwischen moralischen/politischen Vorwürfen und juristischen Feststellungen?
Es sind Fragen, die für den Journalismus elementar sind. Gerade in Zeiten, in denen viel von der "Glaubwürdigkeitskrise" der Medien die Rede ist, wo (von einigen) allzuschnell der Kampfbegriff "Lügenpresse" bei Demonstrationen gerufen wird. Gibt es Anlass zur medialen Selbstkritik - oder ist alles gut?
weiterführende Links
- "8 Regeln für die Verdachtsberichterstattung, die Journalisten und Blogger kennen müssen" (Thomas Schwenke)
- "BGH zu den Grenzen der Verdachtsberichterstattung im Internet" (Robert Golz)
- "Informationsinteresse vs. Persönlichkeitsrecht - Die Verdachtberichterstattung in den Medien" (Sebastian Dramburg)
- "Presse muss sich nicht ins Unrecht setzen" (Anne-Christine Heer)
- "Zivilprozess gegen den "Stern" - 4:0 für Hoeneß" (Hans Leyendecker)
- "Hoeneß erwirkt weitere Unterlassung gegen den "Stern" " (Hans Leyendecker)
- " "Stern"-Bericht über Uli Hoeneß: Gab es keinen Deal?" (Joachim Jahn)
- "Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy" (Thomas Fischer)
- "Beschämt und verdammt" (Heribert Prantl)
- "Soziale Vernichtung eines Menschen" (Dieter Kassel, Ute Welty und Heribert Prantl)
Eine Wohnung in Tel Aviv, ein Stück Berlin mitten in Israel. 70 Jahre lang hat Gerda Tuchler hier mit Ehemann Kurt gelebt, nachdem das Ehepaar in den 30er Jahren aus Deutschland fliehen musste. Weggeschmissen haben sie nichts. Als Gerda Tuchler mit 98 Jahren stirbt, trifft sich die Familie zur Wohnungsauflösung.
Regisseur Arnon Goldfinger will die Wohnung seiner Großeltern, die darin konservierte Welt, filmisch festhalten – bevor sie für immer verschwindet. Doch inmitten unzähliger Briefe, Fotos und Dokumente entdeckt er Spuren einer unbekannten Vergangenheit: Die jüdischen Großeltern waren eng befreundet mit der Familie des SS-Offiziers Leopold von Mildenstein. Sogar über das Ende des Zweiten Weltkriegs hinaus.Die über Generationen im Verborgenen gehaltene Geschichte verstört und schmerzt. Und dennoch nimmt Filmemacher und Enkel Arnon Goldfinger zusammen mit seiner Mutter den Kampf auf – mit Wut und Mut gegen die Kisten, den Staub, die Antiquitätenhändler, die Familie, die Vergangenheit und die Gegenwart, Verdrängung und Wahrheit. Wie bei einer Zwiebel wird sorgsam Schicht um Schicht dieser unglaublichen Geschichte freigelegt.
Ergebnis dieses Prozesses ist eine unglaubliche Saga, die den Zuschauer nicht nur in die Geschichte einer Familie hineinzieht, sondern auch in die vielschichtigen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Ein faszinierendes Dokument, das einen neuen, nachdenklichen Blick darauf wagt, wie die zweite und dritte Generation von Holocaust-Überlebenden mit Erinnerung und Geschichte umgeht und darauf, wie komplex die Beziehungen zwischen den Israelis und den Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg sind. Außerdem rührt der Film an Fragen der Identität und Zugehörigkeit, der Verdrängung und des Gedenkens.
weiterführende Links:
- "Ihr Freund, der Feind" (Arnon Goldfinger auf zeit.de)
- "Die dritte Generation" (Bert Rebhandel auf taz.de)
- "Israelischer Film "Die Wohnung" für deutsche Schulen" (auf israelnetz.com)
- Filmbeschreibung "Die Wohnung" (auf fimgazette.de)
- "Die jüdische Großmutter und der SS-Mann" (Lena Bopp auf faz.net)
Leuchtturm 2015 geht an Ulrich Chaussy
Der Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen der Journalistenvereinigung netzwerk recherche geht in diesem Jahr an Ulrich Chaussy. Der Rundfunkreporter und Buchautor recherchiert seit Jahrzehnten zum Oktoberfest-Attentat von 1980. Chaussys hartnäckigen Arbeit ist es maßgeblich zu verdanken, dass der Generalbundesanwalt inzwischen die Ermittlungen zu dem Anschlag wieder aufgenommen hat.
Der „Leuchtturm“ wird in diesem Jahr im Rahmen der zweitägigen Jahrestagung von netzwerk recherche beim NDR in Hamburg vergeben. Die Verleihung findet am 3. Juli 2015, um 13.45 Uhr statt. Die Laudatio wird Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung, halten.
„Der Mut und die Ausdauer von Ulrich Chaussy ist wohl einmalig im investigativen Journalismus in Deutschland“, sagt Oliver Schröm, Erster Vorsitzender des netzwerk recherche. „Seit mehr als dreißig Jahren recherchiert er unermüdlich zum schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte Bundesrepublik. Dabei hat er sich von der Blockade in Politik, Justiz und Polizei nicht entmutigen lassen und eklatante Widersprüche im offiziellen Ermittlungsergebnis aufgedeckt. Vor allem weil er dran geblieben ist an dem Thema, gibt es jetzt endlich die Chance, dass die Angehörigen der Toten und die Verletzten die wahren Hintergründe des schwersten Anschlags in der Geschichte der Bundesrepublik erfahren.“
Ulrich Chaussy arbeitet für den Bayerischen Rundfunk und hinterfragt von Anfang an das offizielle Ermittlungsergebnis, wonach den Anschlag ein einziger Attentäter verübt habe, der Rechtsextremist Gundolf Köhler. Seit Anfang der 80er Jahre sammelt der Rundfunkreporter Hinweise darauf, dass eine größere, rechtsextremistische Struktur hinter dem Anschlag stecken könnte, bei dem 13 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt wurden. Schon 1985 hat er ein Buch darüber veröffentlicht, das 2014 um mehrere Kapitel ergänzt neu aufgelegt wurde: „Oktoberfest. Das Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann“. Der Kinofilm „Der blinde Fleck“ über die Arbeit Chaussys, an dessen Drehbuch der Protagonist mitschrieb, zeigte einem breiten Publikum die Widersprüche und Lücken in den unzulänglichen Ermittlungen auf. Anfang 2015 lief in der ARD Chaussys Dokumentation „Attentäter – Einzeltäter?“
Viele Redaktionen und auch Gremien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sind von Zeit zu Zeit sauer: "Die nervt" wird dann nicht nur hinter vorgehaltener Hand geseufzt. "Die" ist Maren Müller. Seitdem sie in Leipzig ihre sogenannte "Ständige Publikumskonferenz der öffentlich- rechtlichen Medien" gegründet hat, überzieht sie die Sender mit Beschwerden an der Berichterstattung. Schwerpunkt ihrer Kritik ist die Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt, aber auch viele andere Themen hat sie im Visier. Maren Müller kann den Ärger der Sender nicht verstehen. Schließlich erfülle sie doch nur eine Aufgabe, die eigentlich jede/r wahrnehmen sollte und könnte: Das kritisch zu begleiten, was von einem System produziert wird, welches von allen finanziert wird. Und im übrigen sei sie häufig nur die "Absenderin" der Beschwerden. Formuliert hätten es andere kritische Beobachter/innen. Alle Eingaben stellt sie auf ihrer Homepage online - mit den Antworten der jeweils betroffenen Sender. Sie liefert so einen interessanten Einblick über das Verhalten von Sendern, die kritisiert werden. Zugleich aber offenbart die Lektüre auch, dass nicht jede Beschwerde überzeugend und nachvollziehbar klingt. Heute, bei der Jahrestagung von netzwerk recherche, treffen sich die "Kontrahenten" erstmals direkt - zu einer sicher spannenden Diskussion.
Am Anfang ist diese Kiste, eine Agfa-Kiste: 120 Fotos und zwei Amateurfilme aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Entdecker, der Filmemacher Michal Wnuk, glaubt zum ersten Mal den Krieg durch die Augen seines Großvaters sehen zu können. Michal Wnuk ist Pole – doch sein Großvater diente als Arzt in der Wehrmacht, er stand auf der "anderen Seite".
Schnappschüsse des Krieges
Die Fotos zeigen Kriegsgefangene in Frankreich und Russland – und den Warschauer Aufstand 1944 aus deutscher Sicht. Schnappschüsse des Krieges, Erinnerungen in schwarz-weiß. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, der Großvater kann die Fotos nicht gemacht haben; denn er war nicht an diesen Kriegsschauplätzen.
Michal Wnuk macht sich auf die Suche nach der Herkunft der Fotos. Er entdeckt, dass sein Großonkel, Angehöriger der polnischen Heimatarmee, Besitzer des Kartons war. Wie ist er in seine Hände gekommen? Ist er eine Kriegsbeute? Beweismaterial? Auch die 16-mm-Filme geben Rätsel auf: Die Agfa-Aufnahmen zeigen einen Ausflug am Vorabend des Krieges, im Sommer 1939. Wer sind die Menschen auf den Bildern? Was wurde aus ihnen? Seine Suche nach der Herkunft der Bilder führt Michal Wnuk schließlich nach Deutschland.
Geschichtskrimi voller Rätsel
Die deutsch-polnische Koproduktion ist ein Geschichtskrimi, voller Rätsel und überraschender Wendungen. Ein privater Fund wird zum Resonanzkörper großer Geschichte.
weiterführende Links:
- "Das Geheimnis von Opa Alois" (Thorsten Wahl auf berliner-zeitung.de)
- "Agfa 1939 - Meine Reise in den Krieg" (Dokumentationsbeschreibung auf stimme.de)
Es kommt selten vor, dass ein Journalist und seine Recherche im Mittelpunkt eines Spielfilms stehen – und diese Recherche dann erst wieder Fahrt aufnimmt. Ulrich Chaussy wurde paradoxerweise zum Protagonisten des Films über das Oktoberfestattentat, als er kurz davor war, seine jahrelangen Recherchen deprimiert aufzugeben. Er hatte in vielen Hörfunkbeiträgen und schon 1985 in einem Buch mit vielen Fakten belegt, dass das Oktoberfest-Attentat 1980 nicht von einem Einzeltäter begangen sein konnte, sondern von einer – möglicherweise rechtsradikalen - Gruppe durchgeführt worden war. Aber seine Rechercheergebnisse waren immer wieder an der Bundesanwaltschaft abgeperlt, neue Ermittlungen wurden nicht aufgenommen.
In dieser wenig aussichtsreichen Situation schlug der Regisseur Daniel Harrich ihm vor, ihn bei den folgenden Recherchen mit der Kamera zu begleiten und gemeinsam mit ihm ein DokuDrama zu machen. Die dokumentarischen Aufnahmen von seinen Recherchen sollten durch Szenen ergänzt werden, in denen nachgestellt werden sollte, was mit Dokumentarmaterial nicht zu zeigen war. Aus dieser ursprünglichen Idee entwickelte sich schließlich ein reiner Spielfilm, zu dem Daniel Harrich und Ulrich Chaussy gemeinsam das Drehbuch verfassten. Für die Rolle Chaussys wurde Benno Fürmann gewonnen. Seine Rolle beim Drehbuchprozess hat Ulrich Chaussy bescheiden so beschrieben: darauf zu gucken, dass die Spielhandlung des Politthrillers seine Recherchen weitgehend authentisch spiegelte und die innere Wahrheit der Geschichte erhalten blieb.
Die eigentliche Überraschung erlebte Ulrich Chaussy nach dem Start des Films in den Kinos. 23 Jahre nach dem Attentat meldeten sich plötzlich neue Zeugen, Tatzeugen wie ehemalige Ermittler. Bei einer Vorführung des Films im bayrischen Landtag gelang Chaussy, was er 4 Jahre vorher schon einmal vergeblich versucht hatte: Den bayrischen Innenminister Herrmann zu der Zusage zu bewegen, die bis dahin streng geheimen Spurenakten des Falls für Rechtsanwalt Dietrich zur Einsicht frei zu geben, der als Nebenkläger von Opfern des Attentats seit Jahren mit Chaussy zusammengearbeitet hatte. Einige der bis dahin unbekannten Dokumente stellten die These vom Einzeltäter weiter infrage und offenbarten Versäumnisse der damaligen Ermittlungen. Nach Einsicht in die Akten stellte Rechtsanwalt Dietrich zum dritten Mal einen Wiederaufnahmeantrag beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, diesmal erfolgreich: Im Dezember 2014 nahm Generalbundesanwalt Range nach den immer offenkundiger werdenden Pannen und sicher auch unter dem Eindruck des NSU-Debakels die Ermittlungen wieder auf.
Wie konnte mit einem Spielfilm auf dokumentarischer Grundlage dieser Erfolg erzielt werden, der rein dokumentarisch-journalistischen Arbeiten versagt geblieben war? Hinweise auf mögliche Mittäter gab es schon in seinem Buch von 1985 „Oktoberfest. Ein Attentat“ genug. Was löste 2014 die nicht mehr für möglich gehaltene Wende aus? Wie sieht Ulrich Chaussy seine Rolle heute, nachdem die Ermittlungen in Gang gekommen sind?
Weiterführende Links
Artikelsammlung zu Ulrich Chaussy auf foucs.de
Interview mit Ulrich Chaussy über "der blinde Fleck" auf gala.de
"Schreckensbilder, die zweifeln lassen" (Beate Wild auf sz.de)
"Staatsversagen auf der Kinoleinwand" (Felix Benneckenstein auf zeit.de)
Interview mit Ulrich Chaussy über "der blinde Fleck" auf nordkurier.de
"Einer legt den Fall nicht zu den Akten" (Matthias Heinemann auf faz.de)
Jeff Goolsby ist ein leidenschaftlicher Anhänger der konservativen Tea Party. Der 32-jährige unterstützt libertäre Politiker wie Senator Rand Paul im Wahlkampf, bewundert Menschen wie den ultrakonservativen Multimillionär Steve Forbes. Und doch lebt er gleichzeitig das Leben eines schwulen Immobilienmaklers in New York. Der auch schon mal als „Jeffrina“ um durch die Schwulenbars der Stadt zieht, im hautengen schwarzen Abendkleid, mit einer blonden, schulterlangen Perücke, um den Hals eine glänzende Perlenkette. Boris Kartheuser hat Goolsby für NZZ Folio porträtiert. Ohne je mit ihm gesprochen zu haben. Alle Informationen entstammen einer ausgedehnten Recherche im Internet. Goolsby war später bereit, Details des Portraits zu kommentieren.
Der investigative Journalist zeigt, wie er mit Hilfe von Suchmaschinen-Operatoren, Whois-Abfragen, Twitter-Geolokalisierung, Facebook Graph Search und dem Rippen von Webseiten die für das Porträt notwendigen Informationen erlangte.
Der Unterschied sollte eigentlich jedem Journalisten klar sein: Tatsachenbehauptungen müssen objektiv richtig sein, müssen belegt werden und beweisbar sein. Meinungsäußerungen sind subjektiv, kommentierend und geben eine Einschätzung wieder. Was wir also nicht belegen können, sollten wir auch nicht behaupten. Haben wir einen Verdacht, sollten wir klar machen, dass es ein Verdacht ist und vorsichtig formulieren.
Der Grund: Die Tatsachenbehauptung kann vor Gericht auf ihre Richtigkeit überprüft werden und, wenn sie falsch ist, drohen Klagen auf Unterlassung der Formulierung, auf Gegendarstellung, auf Widerruf und möglicherweise sogar auf Schadenersatz. Während die Meinungsäußerung nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden kann, weil es ja eine subjektive Einschätzung ist und diese durch die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit geschützt ist.
Doch der Teufel steckt im Detail. Natürlich sind z.B. Beleidigungen oder üble Nachrede und erst recht nicht die sogenannte „Schmähkritik“ durch die Meinungsfreiheit geschützt. Und: Auch eine Einschätzung kann einen Tatsachenkern enthalten, der auf seine Richtigkeit überprüft werden kann.
Die beiden Referenten werden an konkreten Beispielen aus der Praxis die oft schwierigen Abgrenzungen zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerungen mit den Teilnehmern erarbeiten.
Frauen in Führungspositionen - noch sind sie (leider) eine Ausnahme Auch in der großen, aufregenden Medienwelt. Sicher, es hat sich in den letzten Jahres einiges verändert, manches auch verbessert. Doch in all zu viel Verlagen, Sendern und Redaktionen haben noch immer Männer das letzte Wort, bestimmen die Agenda und das innerbetriebliche Klima. Doch was ändert sich eigentlich, wenn plötzlich Frauen das Sagen haben ? Über Themen und Personal entscheiden ? Über die interne Diskussionskultur ? Ob Chef oder Chefin - ist doch egal, sagen viele, die beides erlebt haben. Wenn die Kompetenz vorhanden sei, gäbe es keine großen Unterschiede. Doch warum gibt es dann immer noch mehr Chefs als Chefinnen ? Drei Frauen, die zu Chefinnen wurden, erzählen, wie sie wurden, was sie sind. Und ob sich dadurch tatsächlich etwas verändert hat.
Climate change, ecological footprint & Co. – you think we know all about it? Then let’s destroy your illusions. Environmental reporting is a truly challenging task. Especially because it not only combines politics, ecology and economy like other journalistic beats, but it is also often extremely difficult to investigate about it because of all these players involved with their different interests. Mark Schapiro, who has been working for the Center for Investigative Reporting will give you an insight of his work there and provide you with helpful research methods based on some of examples from his new book to improve your next environmental report.
In dieser Session stellen sich zwei unterschiedliche journalistische Initiativen vor:
Anfang 2016 startet das deutsche Science Media Center (SMC) in Köln – ein wissensbasierter, reaktionsfähiger und interessenneutraler Service von Journalisten für Journalisten, initiiert von der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) und finanziert von der Klaus Tschira Stiftung. Als Non-Profit-Organisation unter journalistischer Federführung will das SMC Journalisten bestmögliches Wissen und seriöse Experten aus der Wissenschaft bereitstellen: Von EHEC bis Ebola – wann immer Wissenschaftsthemen in die Schlagzeilen geraten, schafft das SMC schnellen Zugang zu kompetenten Expertisen und Einordnungen – durch (Online‐)Pressekonferenzen, Info-Pakete, fact sheets und Linklisten zu komplexen oder kontroversen Themen. Von dem kostenlosen Angebot sollen auch Medien ohne ausgeprägte wissenschafts-journalistische Expertise im Haus profitieren. Der ehemalige freie Journalist und heutige SMC-Redaktionsleiter Volker Stollorz stellt Ansatz und Arbeitsweise des SMC vor. Dabei werden die Abläufe anhand eines fiktiven Falls exemplarisch durchgespielt: „Der neue Virus HxNx – wie reagiert das SMC?“
Im März 2015 haben Journalistinnen und Journalisten aus allen Medienbereichen das Netzwerk Weitblick - Verband für Nachhaltigkeit & Journalismus gegründet. Der gemeinnützige Verein will Medienschaffende aller Ressorts in der Berichterstattung zum Querschnittsthema Nachhaltigkeit unterstützen. Dazu gehören nach der Aufbauphase beispielsweise Service- und Informationsangebote, Recherchestipendien, Aus- und Fortbildung zu Sach- und Fachthemen, Mentoring sowie Veranstaltungen und Zugang zu Fach-Datenbanken. Die Journalistin Heike Janßen stellt das neue Netzwerk vor.
Darüber hinaus wird in der Session der Peter Hans Hofschneider Recherchepreis 2015 vergeben, mit dem besondere Rechercheleistungen im Wissenschafts- und Medizinjournalismus gefördert werden. Der Preis ist mit einem Recherchestipendium in Höhe von 20.000,- CHF dotiert und soll neue aufwändige Rechercheprojekte ermöglichen.
Anschließend: Verleihung des Peter-Hans-Hofschneider-Recherchepreises.Mit dem EU-Beitritt Ungarns (2004), Rumäniens und Bulgariens (2007) war auch die Hoffnung auf mehr Pressefreiheit verbunden. Doch der aktuelle Blick auf die Länder ist ernüchternd: In Bulgarien besitzen wenige Unternehmer einen Großteil der Medien. Sie instrumentalisieren sie für politische Zwecke und pflegen enge Verbindungen mit den Machthabenden. Auch rumänische Medienmogule mischen sich mit ihren TV-Kanälen und Zeitungen in die Politik ein, um die eigenen Geschäfts- und Privatinteressen durchzusetzen. In Ungarn verschärfte die Regierung mit einem umstrittenen Gesetz unter anderem die Kontrolle öffentlich-rechtlicher Medien. Auch von staatlichen Eingriffen in Redaktionen wird berichtet.
Dass Medien Ländern als Machtinstrument genutzt werden, hat sie in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise gestürzt. Weshalb hat die Pressefreiheit in diesen Ländern solch einen geringen Stellenwert? Warum hatte der EU-Beitritt keinen positiven Effekt auf die Pressefreiheit? Und welche Lehren für die Zukunft sollte die EU daraus ziehen?
Rio de Janeiro – Stadt der Strände und der mehr als 1000 Favelas. Vor den Großevents Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 sollten sogenannte Befriedungspolizisten knapp 200 Favelas durch ihre Präsenz sicherer machen, doch viele Favelas haben sich in Schauplätze neuer Konflikte verwandelt. Eine Bilanz nach der WM, vor Olympia: Wie hat sich die Sicherheitslage in Rios Favelas in den vergangenen Jahren verändert? Welche journalistischen Herausforderungen bringt die Arbeit in Favelas mit sich? Und welche Rolle spielt Social Media für die Sicherheit?
Die Journalistinnen Julia Jaroschewski und Sonja Peteranderl leben und arbeiten regelmäßig in Rio de Janeiros größer Favela Rocinha. Sie berichten seit 2011 für ihr Multimediaprojekt BuzzingCities.com, den Favelawatchblog.com, sowie für deutsche Medien wie Spiegel Online oder das Arte Magazin aus Brasilien – und haben die Entwicklungen der Favelas vor, während und nach der Fußball-WM verfolgt. Mit dem Think Tank BuzzingCities Lab erforschen sie außerdem Digitalisierungsprozesse in informellen Siedlungen wie südafrikanischen Townships oder den brasilianischen Favelas.
Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: wenn in einem Bericht Kritik geäußert wird oder gar schwere Vorwürfe erhoben werden, muss den Kritisierten Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Diese Anfrage ist natürlich auch ein Teil der notwendigen Gegenrecherche, denn nicht jede Kritik stellt sich im Nachhinein als haltbar heraus. Wer dies nicht beherzigt, der verstößt nicht nur gegen die journalistische Sorgfaltspflicht, sondern muss damit rechnen, dass der Kritisierte gegen seinen Beitrag klagt und das mit großer Aussicht auf Erfolg.
Was aber tun, wenn der im Beitrag kritisierte Verantwortliche oder etwa eine angegriffene Institution oder Firma auf die Bitte um eine Stellungnahme gar nicht reagiert? Oder das Gespräch von Bedingungen abhängig macht, die für eine faire Berichterstattung nicht akzeptabel sind? Wie reagieren, wenn die von der Gegenseite flugs eingeschalteten Presseanwälte Nachfragen zu dem erbetenen Interview erkennbar nur mit dem Ziel stellen, Material an die Hand zu bekommen, mit dem sie den geplanten Beitrag verhindern können? Das sind Erfahrungen, mit denen sich Journalisten in den letzten Jahren immer häufiger auseinandersetzen müssen. Die Referenten erläutern an praktischen Beispielen, was beim Bemühen, auch die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen, journalistisch angemessen und juristisch notwendig ist
Distanz und Nähe – Filmemacher und ihre Protagonisten
Das Verhältnis zwischen Filmemachern und ihren Protagonisten ist die Grundlage der Zusammenarbeit bei der Realisierung eines dokumentarischen Films. Wie gewinne ich Protagonisten für die Mitarbeit an meinem Film? Wie gewinne ich ihr Vertrauen? Wie schaffe ich zumindest eine tragfähige Beziehung, die eine Zusammenarbeit möglich macht. Oft ist das ein langer und mühsamer Prozess der Annäherung. Stefanie Gromes hat für Ihren Film „7 Tage Femen“ längere Zeit gebraucht, bis das Verhältnis zu den Frauen der Frauenrechtsorganisation Femen hergestellt war und sie drehen durfte.
Und sie hat schließlich auch bei einer Aktion aktiv mitgemacht. Wo sind die Grenzen von der dokumentierenden Filmemacherin zur mitmachenden Aktivistin? Und wie sind die Erwartungen - und Befürchtungen der Protagonistinnen?
Fünf Monate hat Nino Seidel den 31-jährigen Rami aus Syrien auf seiner Flucht nach Deutschland begleitet. Rami legte mehr als 4000 Kilometer zurück, passierte acht Grenzen. Daraus entstand das multimediale Projekt „Wir sehen uns in Deutschland“ „Das war und ist ein Drahtseilakt“, sagt Nino Seidel. „ es war von Anfang klar, ich kann und darf ihm auf der Flucht nicht helfen, soll nur Beobachter sein.“
Wo ist die Grenze, wo der Filmemacher zum Fluchthelfer wird? Kann er journalistischer Beobachter blieben und an welchem Punkt gebietet es die menschloichkeit, aktiv einzugreiefn und zu helfen?
Ein Projekt, in dem die Grenzen verschwimmen, Nähe und Distanz zwischen beobachtendem Journalisten und seinem Protagonisten immer wieder definiert werden müssen.
Aber wie ist das, wenn die Lebenswelten von Filmemacher und Protagonist extrem weit voneinander entfernt sind und von Vertrauen vielleicht nur kaum die Rede sein kann? Wie finden Filmemacher und Protagonisten trotzdem eine gemeinsame Basis, wie ist das Verhältnis von Vertrauen und Distanz? Und wie ist das Verhältnis "danach", wenn der Protagonist den fertigen Film sieht? Und wenn dieser sich kritisch mit dem Protagonisten auseinandersetzt?
Gerade ist der Dokumentarfilm „Versicherungsvertreter 2" in den Kinos gestartet, in dem der Dokumentarfilmer Klaus Stern ein zweites Mal Mehmet Göker und seinen umstrittenen Versicherungsvertrieb MEG porträtiert. Hat sich das Verhältnis zu seinem Protagonisten verändert?Wie ist das, wenn der Protagonist von "unserem Dokumentarflm" spricht?
„7 Tage Femen"
Der Film von Stefanie Gromes „7 Tage Femen“ ist zu sehen in der NDR-Mediathek
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/7_tage/7-Tage-FEMEN,sendung352218.html
http://www.ardmediathek.de/einslike/7-Tage/7-Tage-FEMEN/NDR-Fernsehen/Video?documentId=27370064&bcastId=14049104
Artikel zum Film:
http://www.zeit.de/feature/femen-feminismus-protest-fuer-frauenrechte
"Versicherungsvertreter":
Teil 2: http://www.versicherungsvertreter2-derfilm.de/
Teil 1: http://www.versicherungsvertreter-derfilm.de/
Der Film auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=OG_58kwEr74
https://de.wikipedia.org/wiki/Versicherungsvertreter_%E2%80%93_Die_erstaunliche_Karriere_des_Mehmet_G%C3%B6ker
"Wir sehen uns in Deutschland":
Informationen und Videos:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Ramis-Flucht-Interview-mit-Reporter-Nino-Seidel,fluchtprotokoll154.html
Gerade im Ausland machen viele Journalisten die Erfahrung, dass ihre Medien sich zwar gerne mit guten Geschichten aus aller Welt schmücken, aber immer weniger bereit und in der Lage sind, für entstehende Kosten aufzukommen. Die Honorare sinken und Reisekosten werden selten übernommen. Gerade in Krisengebieten wird an ausreichendem Versicherungsschutz, Sicherheitswesten und moderner technischer Ausrüstung gespart. In den Redaktionen fehlt es häufig an Ansprechpartnern unter den Redakteuren, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es ist, im Ausland zu arbeiten. Es fehlt an ausreichender Wertschätzung für den schwierigen Job da draußen und die Bedeutung einer guten Auslandsberichterstattung.
Die Anforderungen an investigative Rechercheure und Journalisten haben sich drastisch verändert. Früher waren es meist Einzelkämpfer, die sich dieser speziellen Art des Journalismus verschrieben hatten. Vor rund fünf Jahren dann die Trendwende: viele Medien errichteten Ressorts für investigative Recherchen - und aus Einzelkämpfern wurden Teamarbeiter. Der Grund: Heute ist den Herausforderungen kaum noch anders beizukommen. Investigative Recherchen werden immer aufwendiger, komplexer – Einzelkämpfer können dies oft nicht mehr leisten.
Früher bestand die Herausforderung darin, an exklusive Informationen zu kommen, an vertrauliche Akten oder geheime Papiere. Heute besteht sie darin, die Informations- und Datenflut zu organisieren und somit zu bewältigen. Journalisten wie Redaktionen müssen sich darauf einstellen. Mit Alfred Weinzierl (Spiegel), Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung), Egmont R. Koch (Autor und Produzent) und Oliver Schröm (Stern) diskutieren vier erfahrene und namhafte Journalisten über Investigative Recherche – wie sie einmal war, wie sie heute ist und wie sie in Zukunft sein muss.Journalisten begleiten Flüchtlinge aus Syrien, Irak oder all den Krisenherden nach Europa - und dokumentieren ihre Leidensgeschichte. Kann man da neutral bleiben, abseits stehen, nichts sagen, wenn der Flüchtling in Sichtweite mal wieder eingesperrt, abgeschoben oder drangsaliert wird ? Journalisten berichten von Demonstrationen, wo sie als Teil der "Lügenpresse" angepöbelt werden ? Neutral bleiben oder dagegen halten ? Und wie darüber berichten ? Ganz neutral wie von einer Bundestagsdebatte ? Journalisten sind vor Ort, wenn Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt werden, wenn Flüchtlinge verbal oder körperlich attackiert werden. Ist man da "nur" der neutrale Beobachter oder der "engagierte Bürger", der helfen , den Schwächeren schützen will ? Wie ist es möglich in Zeiten wie diesen, all das zu befolgen, was immer wieder als Leitmotiv gelehrt wird - "Sich nie mit einer Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache". Wie objektiv und frei von Emotionen können Journalisten/innen sein, wenn sie über all das berichten, was sie doch innerlich bewegt, vielleicht auch wütend macht ?
Thomas Roth, der während seiner langen journalistischen Karriere im In- und Ausland schon vieles erlebt hat, was diese immer gleichen Fragen aufwirft, moderiert dieses Panel mit Menschen, die ihre jeweils eigene Sichtweise einbringen, die in unterschiedlichen Zusammenhängen mit diesen Problemen konfrontiert sind:
Anja Reschke. Die Panorama-Moderatorin und Leiterin der Abteilung Innenpolitik beim NDR Fernsehen ist nicht nur innerhalb des Senders als Haltungsstarke Journalistin bekannt (und beliebt). Sie engagiert sich privat für soziale Projekte, ergreift auch das Wort bei Bürgerversammlungen zu "Flüchtlingsunter- künften" in ihrer Nachbarschaft. Ihr Tatgesthemen-Kommentar zur sogenannten "Schlussstrich-Debatte" war (nicht nur) im Netz tagelang ein heftiges, polarisierendes Diskussionsthema. Wie geht sie damit um ? Wie wirkt sich das alles auf ihre Arbeit als Journalistin aus ? Kann man unterscheiden zwischen privaten Aktivitäten und beruflichem Arbeiten ? Sollte man das überhaupt ?
Nikolaus Brender: Auch der ehemalige ZDF-Chefredakteur ist für seine klare Haltung bekannt, nimmt "kein Blatt vor den Mund". Gleichzeitig ist er Vorstandsmitglied im "Verein zur Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs Preises für Fernsehjournalismus". Und von Hanns Joachim Friedrich stammt ja jener berühmte Satz, der auch heute noch immer zitiert wird: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache". Was bedeutet das, wie ist das zu verstehen ? Ist das auch heute noch ein Maßstab, ein Leitbild für guten Journalismus ? Oder wurde der Satz falsch verstanden"? Also: Neutral bleiben - oder Haltung zeigen ?
Thomas Krüger: Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung bemüht sich - zusammen mit seinen Mitarbeitern/innen -, (auch) jüngere Bürger/innen für politische Inhalte zu interessieren. Auch finanziell unterstützt oder initiiert er Projekte, die die entsprechende Zielgruppe erreichen. Sei es im Unterhaltungs- bereich, Fernsehserien oder in digitalen und Printprodukten. Deshalb ist seine Sicht auf den Journalismus gerade in diesen Zeiten spannend: Was erwarten die Menschen von Journalisten/innen, um die sich seine Bundeszentrale kümmert ? Mehr Betroffenheit, mehr Subjektivität - oder doch mehr Neutralität ? Warum haben sich so viele seiner "Zielgruppe" von dem abgewandt, was wir unter "seriösem Journalismus" verstehen ? Es ist der Blick ein bisschen von draußen auf das, was wir so machen, um was wir uns so ernsthaft bemühen.
Nemi El-Hassan: Sie ist mit ihren Beobachtungen, ihren Auftritten, ihren Erlebnissen dort stark präsent, wo herkömmliche Medien häufig keine Rolle spielen: Im Netz. Es ist eine eigene Welt mit eigenen Spielregeln, eigenen Standards. Dennoch spiegeln sich auch hier all die Themen wieder, die in den althergebrachten Medien eine Rolle spielen, die uns bewegen, ärgern oder auch belustigen. Über die wir - wie auch immer - berichten wollen und müssen. Nemi El-Hassan ist - nicht nur wegen ihres jungen Alters und ihres "Kopftuchs" - eine jener Personen , über die wir Medienmacher häufig reden, aber selten den direkten Kontakt haben. Auch sie, die sich nicht nur gegen Pegida engagiert, liefert einen Blick von "draußen" auf unsere Branche, der wahrscheinlich mehr Input liefert als manche abgehobene Diskussion, die wir immer wieder nur "unter uns" führen.
Jahrelang hatte Hajo Seppelt als Live-Kommentator im ARD-Fernsehen über die Schwimmwettbewerbe bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften berichtet, ehe er auf sein eigentliches Thema stieß: Doping im Sport. Eine eher ungewöhnliche Sportkommentator-Karriere in Deutschland, wo sich viele Sportreporter und –moderatoren in der Regel eher als unkritische Begleiter oder gar Fans ihrer Sportarten fühlen. Die dunklen Hintergründe des Big Business „Sport“ bleiben da weitgehend ausgeblendet. Inzwischen hat Hajo Seppelt unzählige Berichte und Dokumentationen zu diesem Thema „Doping“ gemacht, er ist der Doping-Experte im Deutschen Fernsehen.
Wie kommt einer dazu, der es unter den Live-Kommentatoren schon ganz weit nach oben geschafft hat, den Sport plötzlich so infrage zu stellen? Und was bedeutet das für das Verhältnis zu den Sportlern? Eben noch hatte er sie mitreißend kommentiert und stellt kurz danach jedenfalls einige der Sportler so grundsätzlich infrage.
Um ein solches Ausmaß an Doping bei Sportlern aufzudecken, braucht man ein gutes Netzwerk an Experten und Informanten. Wie schafft man das? Und wie schafft man das insbesondere in einem Land wie Russland, in dem der Sport einen noch gewaltigeren, auch politischen Stellenwert als in anderen Ländern hat? Und wo Recherchen möglicherweise auch gefährlich für Leib und Leben sein können. Andererseits: Gibt es nicht auch Doping in ähnlichem Ausmaß in anderen Ländern? Wieso gerade Russland? Weil es während der Ukrainekrise besonders gut in die politische Landschaft passt? Oder gibt es parallel auch Recherchen zum Doping in anderen Ländern?
Wie überzeugt man Menschen davon, die bisher nur für ihren Erfolg im Sport gearbeitet haben, öffentlich die Dopingpraktiken zu bekennen, an denen sie jahrelang selbst beteiligt waren? Den russischen Sportler, die in diesem Film offen aussagen, drohen schwere Repressalien in Russland, einige mussten das Land verlassen und versuchen einen ungewissen Neuanfang in der Fremde. Kommt da auf den Reporter nicht auch eine schwere Verantwortung zu? Er braucht solche offenen Aussagen, um zu belegen, was er monatelang recherchiert hat. Muss er sich nicht aber auch Gedanken darüber machen, was aus den Sportlern anschließend wird?
Weiterführende Links
"Unfassbares über Doping in Russland" (Hajo Seppelt auf Sportschau.de)
"DDR-Dopingopfer: Sie nahmen uns die Kindheit" (Jens Hungermann auf Welt.de)
"Geheimsache Doping" (Die Dokumentation auf dokumonster.de)
"Dopingnation Russland" (Peter Ahrens auf Spiegel Online)
"Schmieren und dopen in Russland" (Michael Reinsch auf faz.net)
Am Anfang steht immer ein Datenberg mit vielen Gigabyte Rohdaten. Am Ende erscheinen in Dutzenden Medien weltweit gleichzeitig große Enthüllungsgeschichten. Wie macht das Journalistennetzwerk ICIJ den vielen Journalisten das Material zugänglich und koordiniert die Recherche?
Storys, Hintergründe und Daten der Projekte Luxleaks und Swissleaks sind auf der ICIJ-Homepage veröffentlicht.Informanten machen u.U. auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam, die sonst vielleicht nie bekannt würden. Um keine persönlichen oder beruflichen Nachteile zu erfahren, möchten sie nicht selten anonym bleiben. Wenn Informanten ausdrücklich auf Anonymität bestehen, müssen wir als Journalisten diese auch unter allen Umständen gewährleisten. Als Journalisten steht uns deshalb ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, ein Privileg, das u.a. auch Seelsorger, Rechtsanwälte, Ärzte und Therapeuten haben. Diese Berufsgruppen können selbst vor Gericht nicht dazu gezwungen werden, über das auszusagen, was ihnen die Patienten, Klienten und eben auch die Informanten unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut haben. Journalisten haben dieses Privileg, weil der Informantenschutz und das Zeugnisverweigerungsrecht viele Berichte im allgemeinen öffentlichen Interesse überhaupt erst möglich machen.
Wie überprüft man die Glaubwürdigkeit eines Informanten und die Motive für sein Handeln? Wie kann man gewährleisten, dass der Informant nicht enttarnt wird? Schützt das Zeugnisverweigerungsrecht wirklich alles, was der Informant berichtet oder gibt es da auch Grenzen?
Die Referenten erarbeiten mit den Teilnehmern die juristischen Voraussetzungen und die praktische Anwendung des Zeugnisverweigerungsrechts.
Auf einer eigenen Internetseite können Journalisten ihre Arbeit präsentieren, ein Thema endlich ganz ausführlich verfolgen, den Lesern Zusatzinformationen bieten und sich mit Mitstreitern vernetzen. Alexander Bachmann zeigt Schritt für Schritt, wie man eine digitale Visitenkarte technisch aufsetzt.
Seit Wochen immer wieder neue Schlagzeilen über die Arbeit der Geheimdienste und Ermittlungsbehörden. Manche groß vorne auf den Titelseiten oder als Aufmacher in den Nachrichtensendungen, manche eher im hinteren Teil für die "Feinschmecker". Wie war das mit dem BND und der NSA ? Wer hat da wem was zugeliefert - und wer wusste Bescheid ? Und - ebenfalls sehr aktuell: Was weiß der BND als Auslandsgeheimdienst über den Terror des IS ? Mehr als die Journalisten ?
Es gibt nur wenige Journalisten/innen, die sich kontinuierlich mit diesen Themenbereichen beschäftigen, die sich dadurch eine Kompetenz er- worben haben. Die (vielleicht) sogar wissen, wie man besser an Informationen aus dem "Inneren" dieser Dienste und Behörden kommt. Wie also arbeiten sie, wie können sie relevantes trennen von "Geschwätz" ? Wie schützt man sich vor "Instrumentalisierung" ? Wie schützt man seine Quellen ?
Und die Dienste ? Wie erleben sie die aktuelle Diskussion, die "nervigen" Fragen, das Aufklärungsinteresse nicht nur von Journalisten, sondern auch von Politikern in den aktuell arbeitenden Untersuchungsausschüssen ? Wie transparent will man sein, darf oder soll man sein ? Eine Diskussion zwischen drei Journalisten, die schon lange dabei sind, und einem Präsidenten, der täglich vor der Frage steht: Was darf ich sagen, was nicht ?
Der Holocaust ist unter vielen Aspekten ausgeleuchtet und beschrieben worden. Jetzt erzählen die Enkel der Verfolgten diese Geschichte, blicken auf das Erleben ihrer Großeltern zurück, stellen Fragen, die ihre Eltern - die zweite Generation nach dem Holocaust - vielleicht so nicht gestellt hätten.
Arnon Goldfinger nähert sich dem Thema in seinem Dokumentarfilm „Die Wohnung“ auf ganz herkömmliche Weise. Als seine Großmutter im Alter von 98 Jahren in Tel Aviv stirbt, findet die Familie eine Wohnung randvoll mit allen möglichen Hinterlassenschaften vor, die sie so schnell wie möglich entsorgen will. Bis der Enkel und Filmemacher Arnon Goldfinger auf Dokumente stößt, die eine ganz andere Geschichte der Großeltern erzählen, von denen die eigene Mutter aber nichts wissen will. Arnon Goldfinger spürt den Hinweisen in den Dokumenten nach und entdeckt ein unglaubliches Geheimnis: „Während die Wohnung vor unseren Augen verschwindet, beginnen die Dokumente zu sprechen – enthüllen die Geschichte einer unglaublichen Freundschaft zwischen meinem Großvater Kurt Tuchler, ein jüdischer Richter und Zionist aus Berlin, und dem Kommandanten des SS-Judenreferats, Baron Leopold von Mildenstein. Sie beginnt mit einer gemeinsamen Reise des Nazis und des Zionisten nach Palästina, um eine Lösung für die ‚Judenfrage’ zu finden, und setzt sich bis heute fort.“
Seine Mutter weiß von dieser Geschichte nichts oder will nichts von ihr wissen, während Arnon Goldstein die Hintergründe akribisch recherchiert und dabei für die Familie unangenehme Fragen aufwirft. Er nimmt den Zuschauer auf seine schwierige Reise in die Familiengeschichte mit, tut das mit einer Unverfrorenheit, die sich deutlich von den Annäherungen der zweiten Generation unterscheidet.
Goldfinger bekam neben vielen anderen Auszeichnungen dafür den Bayrischen Filmpreis für den besten Dokumentarfilm.
Es war im Frühjahr 2012, als der Deutsche Bundestag beim Blog Netzpolitik.org anfragte, ob er den RSS-Feed der Seite ins Intranet des Parlaments einspeisen dürfe. Offensichtlich hielt man im Bundestag die Inhalte von Netzpolitik.org für so lesenswert, dass man Abgeordneten und Mitarbeitern den Zugriff darauf erleichtern wollte. Knapp zwei Jahre später flatterte dem Gründer des Blogs, Markus Beckedahl, eine ganz andere E-Mail des Bundestags ins Postfach. Die beantragte Presseakkreditierung für den Bundestag wurde ihm versagt – unter anderem mit der Begründung, er würde nicht parlamentarisch berichterstatten.
Am Ende klappte es dann doch mit der Akkreditierung. Hinter der Akkreditierungspraxis des Bundestags steht aber auch die Frage: Wer ist eigentlich Journalist? Beckedahls Antrag wurde zunächst auch mit der Begründung abgelehnt, er sei gar kein Journalist, sondern Blogger. Nicht nur Beckedahl fühlt sich an die längst erledigte Debatte »Journalisten vs. Blogger« erinnert: »Ein Blog ist ein Medium, mit dem man journalistisch arbeiten kann, oder auch nicht. Wir gehen davon aus, dass wir hier journalistisch arbeiten, zudem mache ich das hauptberuflich.«
Rechtsanwalt Thorsten Feldmann berät Netzpolitik.org und andere Blogs – und wird berichten, wie man sich als Blogger durchsetzen kann.
Besonders schwer haben es Journalisten, wenn sie sich mit den „Mächtigen“ anlegen. Das weiß Hubert Denk aus eigener Erfahrung. Da er die Informationen auch im eigenen Blog, dem Bürgerblick Passau, veröffentlicht, können für ihn Rechtsverfahren existenzbedrohende Züge annehmen. Trotzdem wehrt sich Denk – und hat dabei Erfolg. Im Workshop erzählt er, wie er das macht – und welche Risiken er dabei eingeht.
Weiterführende Links:
- "Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Forenbetreiber haftet für Beleidigungen im Netz" (Spiegel Online)
Vier Journalisten geben Einblicke in ihre Arbeitswelt im Bereich "Broadcast und Datenjournalismus":
Früher war - allen Verklärungen zum Trotz - vieles nicht besser. Aber zumindest klarer - auch im Journalismus: Wer sich informieren wollte, kaufte seiner Zeitung oder sein Magazin entweder am Kiosk oder hatte alles ohnehin abonniert. Und heute: Zu kaufen gibt es all das Gedruckte noch immer - aber wie lange noch ? Für immer mehr Menschen ist es mittlerweile selbstverständlich, dass alle Informationen, Nachrichten oder Hintergründe kostenlos zur Verfügung stehen - im Internet. Es sei ein "Geburtsfehler", monieren Kritiker, dass nahezu alle Verlage ihre Inhalte kostenlos ins Netz stellten, als damals das Netz auch die Medienwelt veränderte. Die entscheidende Frage heute lautet: Wie schaffen es Verlage, Erlöse für ihre Inhalte zu erzielen, wie soll der Journalismus auch in Zukunft finanziert werden. Wie kann der Leser/die Leserin davon überzeugt werden, dass Journalismus wichtig und wertvoll ist, dass man dafür auch bezahlen muss ?
Manche experimentieren mit kostenpflichtigen Abonnements, die eine Grundfinanzierung sichern sollen. Andere haben schon eine sogenannte "Paywall" eingeführt - doch mit welchem Erfolg ? Genaue Zahlen sind eine Seltenheit. Andere versuchen sich mit einer Mischung aus kostenlosen Inhalten und zu bezahlenden Zusatzangeboten. Die Diskussion "Gegen die Kostenloskultur" erörtert die aktuelle Situation, die Unsicherheit, die verschiedenen Modelle, die grundsätzlichen Fragen. Beteiligt sind Vertreter/innen von hyperlokalen, lokalen, nationalen und internationalen Medien. Sie alle wollen und müssen Lösungen finden. Damit Journalismus auch in Zukunft finanzierbar ist..
MONITOR feiert gerade sein 50 jähriges Jubiläum, PANORAMA ist sogar noch länger auf Sendung. Die TV-Politmagazine waren, so scheint es, schon immer da. Allein in der ARD gibt es heute sechs davon, im ZDF mit FRONTAL 21 eines. Und auch bei RTL läuft schon seit vielen Jahren SPIEGEL TV. Zu viele Magazine seien das, zu verwechsel- und austauschbar, zu wenig spektakuläre Enthüllungen - manche Kritiker sind in ihrem Urteil über die aktuelle Situation der TV-Magazine hart und eindeutig. "Früher" hätte sich das Einschalten noch gelohnt, heute verpasse man nichts. Doch ist das wirklich so ? Wer - und sei es auch nur unregelmäßig - einschaltet, sieht sich häufig eines Besseren belehrt. Sicher, nicht jedes Magazinstück bewegt, berührt oder überrascht den Zuschauer/die Zuschauerin. Aber immer mal wieder sieht man Stücke, die einem völlig neue Einblicke in aktuelle Diskussion liefern, die wütend machen, die Skandale öffentlich machen, Scheinheiligkeiten entlarven. Die schlicht das bieten, was politisch Interessierte sich wünschen: Gründliche Recherchen, seriöse Aufbereitung, verständliche Einordnung. Und mancher Kritiker dürfte verblüfft sein, wenn er - auch in den jeweiligen Mediatheken der Magazine - die breite Themenpalette findet, die den Alltag der Magazine und ihrer Macher/innen bestimmt. Offenkundig ist das Programm besser als sein Ruf. Doch woran liegt das ? An der Verklärung der Vergangenheit ? An dem - im Gegensatz zu früher - wesentlich erweiterten Angebot von politischen und sozialen Hintergrundberichten ? Oder vieleicht auch daran, dass die jeweiligen Sender ihre Magazine nicht gut behandeln, sich ihrer Wertigkeit gar nicht bewusst sind ? Sie immer mal wieder verschieben oder kürzen, sie ganz ausfallen lassen zu Lasten einer großen Gala oder einer langweiligen Sportübertragung?
Die Otto-Brenner-Stiftung veröffentlicht pünktlich zu dieser Jahrestagung eine neue Studie zur Bedeutung der TV-Magazine. Der Verfasser Bernd Gäbler diskutiert darüber heute mit den Magazin-Machern. Doch dies soll nur der Einstieg sein in die viel grundsätzlichere Debatte zum aktuellen Zustand der Magazine. Zur Gegenwart und zur Zukunft. Einblicke also in eine Art von Journalismus, der die Republik ganz sicher bereichert hat.
Auch der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) hat eine Studie in Auftrag gegeben. Sie befasst sich mit den Thema „Thesenjournalismus“, der ja auch den politischen Magazinen immer wieder vorgeworfen wird. Erste Ergebnisse wurden bereits veröffentlicht.
Man dachte eigentlich, zum Zweiten Weltkrieg sei so gut wie alles gesagt. Doch inzwischen erzählen die Enkel die Geschichten des Zweiten Weltkriegs. Sie blicken zurück auf das Leben ihrer Großeltern während des Krieges und sie entwickeln ihre ganz eigenen Vorstellungen, diese Geschichten sowohl inhaltlich wie filmisch zu gestalten.
Der polnische Filmemacher Michal Wnuk begibt sich in seinem Dokumentarfilm „Agfa 1939 – Meine Reise in den Krieg“ auf eine Spurensuche. Er findet bei den Hinterlassenschaften seines Großvaters eine kleine orangenfarbene Schachtel mit 120 Fotos und zwei 16mm-Filmen aus dem zweiten Weltkrieg. Er glaubt zunächst, sie seien von seinem Großvater aufgenommen worden, der als polnischer Arzt in der deutschen Wehrmacht gedient hat. Doch dann findet er heraus, dass sie seinem Großonkel gehört haben, der im polnischen Widerstand gekämpft hat. Im Laufe der aufwendigen Recherche entpuppt sich der Großonkel für den Autor als ein „Widerstandskämpfer wie aus dem Bilderbuch“.
Auf der Suche nach der Herkunft der Bilder muss er sich mit dem Warschauer Aufstand, dem polnischen Widerstand, aber auch mit den Aktivitäten des deutschen Polizeibataillons 310 aus Oranienburg sowie der Vertreibung der Schlesier auseinandersetzen. Stück für Stück erforscht er die Geschichte der eigenen Familie und enthüllt dabei ein Panorama der deutsch-polnischen und polnisch-deutschen Geschichte.
Der Dokumentarfilm ist in einem persönlichen und unbefangenen Ton erzählt, der sich von der Herangehensweise der Autoren der zweiten Generation grundlegend unterscheidet.
Weiterführende Links
TV: "Agfa 1939. Meine Reise in den Krieg" (Doku-Kritik von Fritz Wolf)
Immer wieder ärgert man sich über Behörden, die bei Journalistenfragen mauern. Doch auf welche Rechte können sich Pressevertreter eigentlich bei der Recherche berufen? Wann hilft der Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen am besten weiter und in welchen Situationen nutzt man lieber das Umweltinformationsgesetz oder das Informationsfreiheitsgesetz? Der Medienrechtler Prof. Dr. Udo Branahl liefert einen Überblick, welche Rechte Journalisten gegenüber Behörden haben und wie sie sie am besten durchsetzen.
weiterführende Links:
- nachgehakt-online.de (Eine ausführlichere Anleitung zu den Informationsrechten, einschließlich Fallbeispielen und Musterbriefen aus der Praxis)
- Informationsfreiheit und Auskunftsrechte auf netzwerkrecherche.org
- Rechtskommentar zum IFG von Wilhelm Mecklenburg und Benno Pöppelmann
Das Problem ist seit langem bekannt: Die Zuschauer (nicht nur) bei den öffentlich-rechtlichen Sendern werden immer älter, die Jüngeren suchen sich ihre Angebote immer häufiger im Netz. Aber auch die Zeitungen und Magazine sehen sich mit diesem Befund konfrontiert. Sie alle suchen nach neuen Ideen und neuen Erzählformen, damit sie auch Jüngere erreichen. Eines der jüngsten Experimente ist die Sendung ZDF +, die seit einigen Wochen das ehemalige "heute nacht" abgelöst hat. Nicht mehr die - meist nach Mitternacht - im ZDF ausgestrahlte Fernsehfassung ist entscheidend, sondern die bereits vorab online verfügbaren Beiträge, Diskussionen und Fragestellungen. Das Fernsehformat ist quasi lediglich das Endprodukt, das Ergebnis der tagsüber dokumentierten Kommunikation.
Ein Versuch, eine neue Denke, immerhin. Doch mit welchem Erfolg ? Und was ist mit all den anderen Angeboten - z.B. bei den sogenannten Jugendwellen im Hörfunk der ARD-Anstalten ? Oder: Was plant eigentlich der neue "Jugendkanal", der im nächsten Jahr online gehen soll ? Und wie versuchen die Verlage, diese wichtige Gruppe als "Kunden" zu gewinnen ? Umgekehrt: Was vermissen jüngere Menschen, warum suchen sie sich ihre Informationen, ihre Unterhaltung immer häufiger anderswo ? Sind ihnen die traditionellen Sender und Verlage zu "altbacken", sind ihnen die Nachrichten (oder Dokus, Magazine etc) zu kompliziert oder zu langweilig ? Diese Diskussionsrunde wird sicherlich keine Lösungen, keine endgültigen Antworten kreieren, aber einen Einblick in das geben, was derzeit viele Medienverantwortliche beschäftigt: Wie können wir auch für Jüngere attraktiver werden - ohne uns anzubiedern ?
"Die Kinder von Aleppo" ist ein ungewöhnlicher Film. Er erzählt den Krieg in Syrien aus der Perspektive von Kindern und auf Augenhöhe mit ihnen. Diese Kinder leben direkt an der Front, sie bauen mit dem Vater Bomben, leben auf der Flucht und in ständiger Angst vor dem Tod. Ungewöhnlich ist auch der Sendeplatz. Der Film lief im "auslandsjournal - die doku", einem Fernsehformat, in dem man interessante Berichte, aber selten filmische Erzählungen findet. Wie kam es zu der Entscheidung, gerade eine solche Geschichte und sie gerade so zu erzählen? Leistet diese Erzählweise mehr und anderes als die gewohnten Kriegsberichte? Braucht der Fernsehjournalismus nicht auch immer wieder Anregungen aus dem dokumentarischen Genre? Kann man als Autor nach einem solchen Film wieder hinter die neuen Erfahrungen zurück?
Weiterführende LinksDer Workshop behandelt die Auskunftsmöglichkeiten, die Journalisten gegenüber Behörden haben, anhand von Beispielen aus der Praxis.
Bild-Chefreporter Hans-Wilhelm Saure hat in den zurückliegenden Jahren viele Prozesse mit Behörden geführt, um Auskünfte oder Akteneinsicht zu erlangen. So konnte er den Akten des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass der Geheimdienst schon 1952 wusste, wo sich der Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann aufhielt - acht Jahre, bevor die Israelis ihn in Argentinien aufspürten. Im März 2015 hat Saure ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig gewonnen, mit dem klargestellt wurde, dass Journalisten auch dann einen Informationsanspruch haben können, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse privater Firmen berührt sind. Dabei ging es um den Vertrag zur Nutzung des Flughafengeländes Tempelhof für eine Modemesse.
Manuel Bewarder von der "Welt" interessierte sich dafuer, was Guttenberg in seiner Zeit als Abgeordneter beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag gegeben hatte. Der Hintergrund sind Textpassagen in Guttenbergs Doktorarbeit, die offenbar wörtlich aus Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes stammen. Nachdem die Ausknftsklage zunächst abgewiesen wurde, entschied das Bundesverwaltungsgericht vorige Woche, dass der Wissenschaftliche Dienst grundsätzlich unter das Informationsfreiheitsgesetz faellt und sich nicht auf den "Schutz des politischen Mandats" als Ausnahmegrund berufen kann. Diese Grundsatzentscheidung zeigt, wie wichtig es ueber den Einzelfall hinaus ist, sich mit Ablehnungen nicht zufrieden zu geben, sondern auch mal konsequent den Klageweg zu beschreiten. Das Urteil eröffnet nun allen Interessierten den Zugang zu Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages.
Im letzten Jahr hat das nr-Stipendienprogramm deutlich an Zuspruch gewonnen. Anfang 2015 ist zudem eine Verabredung mit der gemeinnützigen Olin gGmbH hinzu gekommen, um speziell Themen aus dem Bereich von Umwelt und Ökologie zu fördern. Denn freien oder auch fest angestellten Reportern fehlen oftmals die finanziellen Mittel für intensive, zeitaufwendige Recherchen. Für Tiefenschärfe eben. nr will deshalb Kollegen, die Vetternwirtschaft, Umweltskandale, Bausünden usw. aufklären und zum Beispiel ihr Recht auf Akteneinsicht bei den Behörden wahrnehmen möchten, ermutigen, sich um ein Stipendium zu bewerben.
Auf der Veranstaltung berichten Stipendiatinnen und Stipendiaten des vergangenen Jahres über ihre Projekte: Ulrike Heitmüller hat sich für den Tagesspiegel mit dem wachsenden Einfluss freikirchlicher Gemeinden befasst und dabei auch die Rolle ihres eigenen Großvaters unter die Lupe genommen; Philipp Jusim hat den Missbrauch von Pestiziden beim vermeintlich ökologischen Teeanbau in Indien recherchiert und darüber ein stark beachtetes Hörfunk-Feature produziert; Sebastian Garthoff hat in einer einfühlsamen Reportage für die Berliner Zeitung den Umgang eines ungarischen Dorfes mit den in der Gemeinde lebenden Roma recherchiert - als Beispiel für Toleranz und gegen Ausgrenzung; Susanne Götze, unsere erste Olin-Stipendiatin, recherchiert zur Zeit über den "Das Geschäft mit dem guten Gewissen" - wie effektiv ist der Emissionshandel als Instrument des Klimaschutzes, zehn Jahre nach seiner Einführung?
Die Arbeit mit Datensätzen ist oft besonders herausfordernd: Wie kollaboriert man effizient im Team? Wie stellt man sicher, dass neue, aktualisierte Daten ohne Zusatzaufwand verarbeitet werden können? Wie kommuniziert man die Methodik hinter einer Auswertung – intern und nach aussen? Und: Will man das überhaupt? Nur selten wird transparent über die vollzogenen Arbeitsschritte berichtet, die zu einer "guten Geschichte" geführt haben. Ausreden gibt es viele: „Eine Dokumentation bedeutet zu viel Aufwand, die Daten sind nicht mehr auffindbar, unsere Methodik geht niemanden etwas an.“ Dabei wäre es so einfach.
Im ersten Teil des Panels zeigt Timo Grossenbacher (SRF Data) anhand konkreter Beispiele, wie er mit dem Statistikprogramm R effizient Daten einliest und auswertet, und wie einfach es ist, Transparenz und Reproduzierbarkeit zu schaffen. In der anschließenden Runde wird diskutiert, wieso es nötig und sinnvoll ist, seine Daten und Recherchemethoden offen zu legen, was dagegen sprechen könnte und wieso das bis jetzt niemand wirklich gemacht hat.
Oft verweigern Behörden Auskünfte auf Anfragen von Journalisten. Sie berufen sich dabei in der Regel auf angebliche Ausnahmen nach den jeweiligen Landespressegesetzen. Dass viele dieser Antwortverweigerer eigentlich zur Auskunft verpflichtet sind, ist meist unbekannt. In der Auskunftrechte-Datenbank von netzwerk recherche und Correctiv sind die Argumente zu finden, die man braucht, um seine Rechte durchzusetzen.
In diesem Workshop wollen Reporter des gemeinnützigen Recherchebüros Correctiv an einigen konkreten Beispielen zeigen, wie jeder die richtigen Worte findet, um seine Sache erfolgreich zu vertreten. Denn häufig ist allein Unwissen der Grund für die Auskunftsverweigerung und nicht böser Wille. Oft reicht ein rechtlich fundierter Brief aus, um die Auskunftsfreude zu erhöhen. Der Workshop vermittelt anhand von Beispielen, wo man die benötigten Argumente findet und wie Briefe besser formuliert werden können.
netzwerk recherche und Correctiv pflegen zusammen eine Datenbank, in der Musterurteile zum Auskunftsrecht nach Landespressegesetz zu finden sind.
Correctiv hat außerdem ein e-Book zum Thema Auskunftsrecht herausgebracht.